1. Balthasar Gracián: Handorakel und Kunst der Weltklugheit. Aus dessen Werken gezogen von D. Vincendo Juan de Lastanosa und aus dem Spanischen Original treu und sorgfältig übersetzt von Arthur Schopenhauer, in: Schopenhauers sämtliche Werke, hrsg. v. Paul Deussen, fortgeführt v. Arthur Hübscher, Bd. VI, München 1923.
2. Ich zitiere nach der von Arthur Hübscher herausgegebenen ReclamAusgabe, Stuttgart 1964 (= RUB 2771/72), die vom Text der kritischen Schopenhauer-Ausgabe nur durch eine behutsame Modernisierung der Orthographie abweicht. Die drei von Gracián entworfenen Idealcharaktere tragen den Namen des Héroe (1637), des Politico (1640) und des Discreto (1646). Zu den Standardwerken der geistesgeschichtlichen und Hteratunvissenschaftlichen Erschließung von Graciáns Werk und Wirkung zählen nach wie vor: Karl Borinski: Baltasar Gracián und die Hoflitteratur in Deutschland (1894), Neudr. Tübingen 1971;
3. Werner Krauss: Graciáns Lebenslehre, Frankfurt/M. 1947.
4. Arthur Hübscher: Nachwort zur Reclam-Ausgabe, S. 159. Nicht von ungefähr sind in Hübschers Traditionslinie deutsche Fürstenspiegel nicht genannt, und zwar nicht nur deshalb, weil ein Einfluß auf Gracián historisch nicht anzunehmen ist, sondern vor allem aus dem Grund, daß die deutschen Fürstenspiegel einer ganz anderen Gattung von Schriften angehören. Traditionellerweise stellen sie didaktisch konzipierte Handbücher für den fürstlichen Nachwuchs dar, die in den für die Regierungsaufgaben als nötig erachteten Tugenden eine praxisorientierte Unterweisung bieten, so daß sich neben allgemeinsten Erbaulichkeiten über ein gottgefälliges Leben Hinweise für das anzuratende Verhältnis des Fürsten zu den verschiedenen Ständen, zum Abgabenwesen, kurz: zu allerlei praktischen Fragen feudalherrscherlicher Ökonomik und Politik finden. Einer der bekanntesten Fürstenspiegel, Jakob Wimpfelings Agatharchia (1498), umfaßt Bildungsgüter aus der Tradition der Panegyrik, allgemeine Empfehlungen zu Freigebigkeit und Mäßigkeit, die Forderung, der Fürst solle Latein können, die Aufforderung, bei den Untertanen auf Zucht und Ordnung (bis hin zur Kleiderordnung) zu achten sowie den guten Rat, aus Kostengründen den Frieden dem Krieg vorzuziehen und die Saaten der Untertanen nicht niederzureiten. Vgl. Ludwig Geiger: “Jakob Wimpfeling”, ADB 44 (1898), 524–537, bes. den Katalog der Ratschläge S. 531. Die Vorstellung, daß die Sphäre der Politik einen besonderen Handlungsbereich konstituiere — die Grundidee von Machiavellis Principe und die stillschweigende Voraussetzung des Handorakels — bleibt den Fürstenspiegeln fremd. Zu Inhalt und Standpunkt dieser Gattung moralischer Schriften in der frühen Neuzeit vgl. die materialreiche Studie von Bruno Singer: Die Fürstenspiegel in Deutschland im Zeitalter des Humanismus und der Reformation, München 1981 (= Humanistische Bibliothek, hrsg. v. Ernesto Grassi, Reihe I: Abhandlungen, Bd. 32).
5. Die spezifisch höfische “Rationalität” besteht, so faßt Elias seine Forschungen zusammen, in der “kalkulierenden Planung der eigenen Strategie im Hinblick auf den möglichen Gewinn oder Verlust von Status- und Prestigechancen unter dem Druck einer unablässigen Konkurrenz um Machtchancen dieser Art.” Obgleich diese Einsichten am französischen Hof vor allem des 18. Jahrhunderts gewonnen sind, lassen sie sich, so generell wie hier angeführt, durchaus auf den sozialen Bereich übertragen, den Gracián im Auge hat. Norbert Elias: Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, Neuwied/Berlin 1969 (= Soziologische Texte Bd. 54), S. 142.