1. Luhmanns Analyse ist natürlich wesentlich detailreicher als meine knappe Skizze; ich will sie jedoch hier nicht weiter verfolgen und auch auf eine Kritik verzichten, dazu wäre eine längere Auseinandersetzung notwendig, die mich in Bewußtseinstheorien vertricken und zu weit vom Problem personaler Identität wegführen würde. Anmerken will ich allerdings, daß ich Luhmanns Analyse psychischer Systeme insgesamt nicht besonders überzeugend finde. Luhmann appliziert, wie ich denke, lediglich Begrifflichkeiten und Erklärungsmuster der allgemeinen Systemtheorie auf das Phänomen des Bewußtseins, ohne auf dessen spezifische Eigenheiten wirklich einzugehen. So erscheint mir besonders die Redeweise von distinkten Elementen problematisch zu sein; hier werden — vielleicht gegen die Absichten der Theorie — atomistische Assoziationen geweckt. Ich habe weiter oben im Zusammenhang mit Cassirer schon darauf hingewiesen, daß die Annahme eines formalen Wechsels von Systemelementen nicht direkt zur Annahme eines Flusses oder Stromes führt. Eine Kritik findet sich auch etwa bei Manfred Frank, der von einer „Wiederbelebung des ausrangierten Reflexions-Modells“ spricht; Selbstbewußtsein und Selbsterkenntnis, (Stuttgart 1991), p.72; cf. auch Veronique Zanetti, Kann man ohne Körper denken? Über das Verhältnis von Leib und Bewußtsein bei Kant und Luhmann, in H.U. Gumbrecht/L. Pfeiffer (edd.), Materialitäten der Kommunikation (Frankfurt 1988), pp.280–294.
2. Cf. Richard Münch, Theorie sozialer Systeme: Eine Einführung in Grundbegriffe, Grundannahmen und logische Struktur (Opladen 1976). Ein besonderer Typ eines sozialen Systems ist die Gesellschaft. Innerhalb der Theorie sozialer Systeme versteht man unter Gesellschaft ein alle anderen sozialen (Sub-)Systeme umfassendes System; cf. auch hierzu Münch, Theorie sozialer Systeme, op.cit., p.24. Eine der wesentlichen Differenzen zwischen Luhmann und Habermas besteht übrigens darin, daß bei Luhmann die Gesamtgesellschaft nur noch als Umwelt der Gesellschaftssubsysteme fungiert und daher nicht mehr konsens- bzw. einheitsfähig ist; cf. etwa (GuS-1,33). Habermas dagegen ist der Überzeugung, daß Gesellschaften — vor allem in öffentlichen Diskursen — eine vernünftige Gesamtidentität ausbilden können; cf. Der philosophische Diskurs der Moderne, op.cit., pp.416sqq,432–435.
3. Cf. hierzu auch Niklas Luhmann, Die Soziologie und der Mensch, in Neue Sammlung 25 (1985), pp.31–41. Auch Heidegger vertritt eine durchaus ähnliche Auffassung: „Das Geschick setzt sich nicht aus einzelnen Schicksalen zusammen, sowenig als das Miteinandersein als ein Zusammenkommen mehrerer Subjekte begriffen werden kann“; Sein und Zeit, op.cit., p.384.
4. Adam Smith, Eine Untersuchung über Natur und Wesen des Volkswohlstandes Bd.2 (Jena 1920), p. 235.
5. Rudi Keller, Sprachwandel (Tübingen 1990), p.88. Eine Unterscheidung, die innerhalb des systemtheoretischen Paradigmas häufiger verwendet wird, um Selbstorganisation und Emergenzphänomene zu erklären; cf. Krohn/Küppers (edd.), Emergenz, op.cit., p.13–16.