Abstract
ZusammenfassungSoziologische Zeitdiagnosen suggerieren, dass tiefgreifende gesellschaftliche Krisen wie die COVID-19-Pandemie unsere Wertorientierungen infrage stellen und auch relativ kurzfristig ändern könn(t)en. Von dieser Beobachtung ausgehend, wird untersucht, ob es in Österreich im Zeitraum Mai 2020 bis März/April 2021 zu signifikanten Verschiebungen von Wertprioritäten nach der Skala von Shalom Schwartz kam. Als Datenmaterial dienen die beiden ersten Wellen der Panelstudie Values in Crisis. Für die Interpretation der Ergebnisse sind zwei theoretische Annahmen zentral: erstens die These eines zunehmenden Konservatismus und zweitens die These der Wirkmacht politischer Diskurse in Zeiten des (wieder)aufkeimenden Populismus. Besondere Berücksichtigung findet im Beitrag zudem eine methodologische Auseinandersetzung mit dem Wandel der Bedeutung von Fragebogenitems aufgrund der COVID-19-Pandemie.Die empirischen Analysen bestätigen – entgegen einigen aktuellen Zeitdiagnosen – eine deutliche Stabilität von Wertorientierungen. Verändert hat sich vor allem der Wert der Konformität, indem er für einen Teil der Bevölkerung wichtiger wurde; gleichzeitig verlor der Wunsch nach einer hedonistischen Lebensweise etwas an Bedeutung. Konformität wurde insbesondere für die Wähler*innen der Regierungsparteien wichtiger, während sich dieser Trend vor allem bei den Wähler*innen der FPÖ nicht zeigte. Da die beobachteten Verschiebungen von Wertprioritäten vor allem „pandemie-sensible“ Wertedimensionen betreffen, lässt sich auf der Basis der vorliegenden Ergebnisse insgesamt eher von einer kurzfristigen Reaktion auf die Krise und weniger von einem längerfristigen Wertewandel ausgehen.
Publisher
Springer Science and Business Media LLC
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