Einfluss des sozioökonomischen Status auf Art und Häufigkeit notärztlicher Einsätze

Author:

Arrich Jasmin,Dammann Ulrike,Reichel Jens,Behringer Wilhelm

Abstract

Zusammenfassung Hintergrund In den vergangenen Jahren hat die Anzahl der notärztlichen Rettungsdiensteinsätze signifikant zugenommen und die adäquate Gesundheitsversorgung vor Herausforderungen gestellt. Studien haben gezeigt, dass ein niedrigerer sozioökonomischer Status (SES) mit einer höheren Inanspruchnahme der notfallmedizinischen Einrichtungen verbunden ist. Ziel dieser Studie war es, einen möglichen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und den notärztlichen Einsätzen zu finden und diesen hinsichtlich der Erstdiagnose und der Erkrankungsschwere weiter zu charakterisieren. Methoden Im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie wurden die Protokolle der im Jahr 2019 in Jena durchgeführten notärztlichen Einsätze analysiert. Der SES wurde auf Aggregatebene anhand der Wohngebiete der PatientInnen über Indikatoren wie Armutsverteilung, Jugendarbeitslosigkeit, Wohnfläche je Einwohner und Migrationshintergrund definiert. Die Endpunkte der Analyse waren die notärztliche Einsatzrate, die Erstdiagnose und die Erkrankungsschwere der PatientInnen. Die Resultate wurden für das Alter und das Geschlecht der PatientInnen angepasst. Ergebnisse Die notärztlichen Einsatzraten lagen für PatientInnen in sozioökonomisch benachteiligten Gebieten um 33 % höher als in den anderen Gebieten Jenas (adjustierte Odds ration (OR) 1,33; 95 %-Konfidenzintervall (KI) 1,25–1,42). Bei PatientInnen mit niedrigerem SES war die Erstdiagnose einer psychiatrischen Erkrankung um 63 % häufiger (OR 1,63; 95 %-KI 1,26–2,10), die einer pulmonalen Erkrankung um 37 % häufiger (OR 1,37; 95 %-KI 1,06–1,80) als bei PatientInnen mit einem höheren SES. Der SES hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Erkrankungsschwere der PatientInnen. Diskussion Ein niedrigerer SES ist in bestimmten Wohngebieten mit einer relevant höheren Rate an notärztlichen Einsätzen und einem höheren Anteil an psychiatrischen und pulmologischen Erstdiagnosen vergesellschaftet. Dies könnte ein Indikator für eine strukturelle Unterversorgung der regulären medizinischen Einrichtungen und eine höhere Krankheitsbelastung in Gebieten mit niedrigerem SES sein. Es bedarf weiterer gezielter Interventions- und Evaluationsstudien, um die Ursachen des erhöhten Aufkommens an notärztlichen Einsätzen zu identifizieren, die reguläre Gesundheitsversorgung dieser Gebiete zu verbessern und Rettungsdienste und nachgeschaltete Notfallzentren zu entlasten. Graphic abstract

Funder

Medical University of Vienna

Publisher

Springer Science and Business Media LLC

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