Abstract
ZusammenfassungEin mathematischer Gegenstand kann durch einen geeigneten Begriff charakterisiert, aber nicht empirisch erkannt werden. Ein erheblicher Teil der mathematischen Forschung widmete sich der Bildung derartiger Begriffe. Wie kann aber ein Begriff über Gegenstände gebildet werden, die der Empirie nicht zugänglich sind? Diese Frage bringt die Schwierigkeiten auf den Punkt, mathematische Begriffe zu lernen und zu lehren. Hier wird dargelegt, dass der mathematischen Begriffsbildung vorbegriffliche Konzepte vorangehen. Ein vorbegriffliches Konzept ist eine Zusammenfassung von Regeln, die oft implizit befolgt werden, und mit denen ein Gegenstand konstruiert werden kann. Dabei wird an dem handlungsorientierten Ansatz der Begriffsbildung von Piaget und Aebli angeknüpft, jedoch wird er durch vorbegriffliche Konzepte der Motorik für die Geometrie sowie der Gedächtnisoperationen Merken und Erinnern für die Arithmetik ergänzt. Z. B. erfahren wir das Merkmal der Rekursion, wenn der Gegenstand einer Erinnerung wiederum eine Erinnerung enthält. Wir nennen sie eine rekursive Erinnerung. Durch sie erfahren wir eine zeitliche Ordnung und machen uns mit Merkmalen der linearen Ordnung vertraut. Ein Merkschritt, in dem wir uns die Existenz eines Gegenstandes sowie eine Erinnerung an den unmittelbar vorangegangenen Merkschritt merken, insofern er stattgefunden hat, hat alle Eigenschaften einer natürlichen Zahl. Die impliziten Regeln vorbegrifflicher Konzepte elementarer mathematischer Begriffe werden expliziert, so dass ein Lernender die Begriffsbildung sowie die Begriffe mit ihren logischen Konsequenzen und Anwendungsmöglichkeiten besser nachvollziehen kann.
Funder
Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK)
Publisher
Springer Science and Business Media LLC
Reference31 articles.
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