1. Ich begreife die Collegen nicht, die aus cosmetischen Gründen einen so grossen Werth auf eine runde Pupille legen. Wenn wir alte Leute an Katarakt operiren, so thun wir dies doch nicht aus cosmetischen Gründen, sondern darum, dass wir ihnen ein brauchbares Sehvermögen wiedergeben. So lange ich practicire, hat noch kein Patient an mich die Forderung gestellt, ihn so zu operiren, dass ihm ja seine runde Pupille erhalten bleibe. „Sehen“ will der Patient wieder, ob seine Pupille dabei eine runde oder Schlüssellochform hat, ist ihm gleichgültig und mir als „practischem“ Augenarzte desgleichen. Für einen Staaroperirten, der beim Fernsehen seine Linse in Form eines biconvexen Brillenglases von 3 1/2–4 Zoll Brennweite eine Strecke weit vor seiner Pupille trägt, bietet eine Pupillenvergrösserung gar keinen Nachtheil für seine Orientirung, eher liesse sich wohl das Gegentheil annehmen. Das hat bereits 1869 Berlin in Heidelberg in seinem Vortrage: „Ueber den Einfluss starker Convexgläser auf das excentrische Sehen“ des Näheren ausgeführt und bewiesen (vergl. Zehender's Klin. Monatsblätter VII, 361). Ueber Blendung haben sich meine Patienten auch noch nicht beschwert, obgleich ich sogar nach unten extrahire.
2. Wie so Jacobson (Archiv für Ophthalmol. 1884, 2, S. 261) zu der kühnen Behauptung kommt, die Ophthalmologen hätten erst von den Chirurgen die Reinlichkeit als Bedingniss guter Wundheilung erlernen müssen, ist mir unerklärlich. Das Umgekehrte würde wohl der Wahrheit näher kommen. Hätten die Chirurgen von jeher mit gleicher sorgfältiger Reinlichkeit, wie die Ophthalmologen stets gewohnt waren, operirt, so wäre bei ihnen das Bedürfniss und der Erfolg der Antisepsis wohl kein so überraschender gewesen.
3. Bekanntlich hat sich auch Jacobson im Jahre 1868 zum v. Gräfe'schen Linearschnitte bekehrt und hält auch heute noch — wohl als letzter unter den Ophthalmologen — an dieser Operationsmethode fest, die Behauptung aufstellend, der v. Gräfe'sche Linearschnitt erlaube jeder Katarakt einen leichten spontanen Austritt. Das ist aber unrichtig, wie Jacobson indirect auch zugibt. In seiner letzten Arbeit, Archiv für Ophthalm., XXXIV, 2, S. 200, heisst es bei Beschreibung der Technik der v. Gräfe'schen Extraction: Anmerkung 1: „Jeder Linearschnitt, der bei einem leich-„ten Versuche mit dem Löffel zu wenig klafft, ist sofort oder am „Anfange des dritten Actes durch einen bis zwei kurze, horizon-„tale oder leicht abwärts gerichtete Scheerenschnitte zu vergrössern.“ Der v. Gräfe'sche Linearschnitt fällt also auch in Jacobson's Händen in vielen Fällen zu klein aus, gerade wie bei allen anderen, die ihn ausgeführt haben! Wird derselbe durch zwei abwärts gerichtete Scheerenschläge erweitert, dann haben wir eben einen peripheren flachen Lappenschnitt, aber keinen v. Gräfe'schen Linearschnitt mehr Ich meine, es wäre für's Auge doch weniger verletzend, dann lieber gleich mit einem scharfen Messerschnitte einen peripheren flachen Lappen zu bilden als durch quetschende Scheerenschläge diese Schnittform zu erreichen, da bekanntlich gequetschte Wunden mehr zur Infection neigen wie scharfe Schnitte. Doch steht mir darüber aus eigener Erfahrung kein Urtheil zu. Ich kann nicht umhin, hier zu bedauern, dass Jacobson nicht seine eigenen Wege ruhig weiter gegangen ist, d. h. selbst seinen peripheren Lappenschnitt von der etwas plumben Uebergrösse befreit und auf das richtige Mass reducirt hat. Das Resultat musste dann doch nothwendiger Weise ein peripherer flacher Lappenschnitt werden. Auch Jacobson hatte es nicht nöthig, dem v. Gräfe'schen Linearschnitte Concessionen zu machen, die derselbe nicht erfüllen konnte (vergl. die oben citirte Anmerkung 1), gerade so wenig wie ich, als ich in einer schwachen Stunde meine „Offenen Zugeständnisse an v. Gräfe'schen peripheren Linearschnitt“ in Zehender's Klin. Monatsblättern VIII, S. 90 machte. Die innere Ueberzeugung hat mir bei diesen Zugeständnissen in der That gefehlt, denn ich habe mich trotz derselben aus Furcht vor ungenügender Schnittgrösse niemals zu einem v. Gräfe'schen Linearschnitte entschliessen können.