1. Zur jurstischen Systembildung grundlegend F Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) 1 ff. Eine Skizze zum pragmatischen Verständnis dessen, was ein „Rechtsgebiet“ charakterisiert, vgl bei Krejci, Privatrecht, 4. Aufl (2000) Rz 52 ff.
2. Vgl zB Müller-Freienfels, Zur „Selbständigkeit“ des Handelsrechts, FS von Caemmerer (1978) 591; Kramer, Handelsgeschäfte, FS Ostheim (1990) 299; F. Bydlinski, Handels-oder Unternehmensrecht als Sonderprivatrecht. Ein Modellbeispiel für die systematische und methodologische Grundlagendiskussion (1990); derselbe, System 432 ff. Die Diskussion um die Rechtfertigung eines eigenen Rechtsgebietes „Handelsrecht“ hängt mit der besonders engen Verflechtung handelsrechtlicher Regelungen mit jenen des allgemeinen Zivilrechts zusammen. Die handelsrechtlichen Sondernormen sind, abgesehen davon, dass sie mitunter ohnehin eine verallgemeinerungsfähige Regelung zum Ausdruck bringen, im Bereich des Rechts der Handelsgeschäfte dermaßen bruchstückhafte Modifizierungen des allgemeinen Zivilrechts, dass ihnen keine systematische Selbständigkeit zukommt. Man denke nur an die handelsrechtlichen Sonderregeln zum Allgemeinen Teil des bürgerlichen Rechts; zum Sachenrecht und allgemeinen Schuldrecht oder an die handelsrechtlichen Ergänzungen und Modifizierungen des Kaufvertrages. Eher verdient das Prädikat einer relativen Eigenständigkeit das zum Handelsrecht im weiteren Sinn gezählte gesamte Gesellschaftsrecht, das Rechnungslegungsrecht, das Wertpapierrecht, Wettbewerbsrecht und Immaterialgüterrecht. Mit diesem Hinweis stelle ich überdies klar, dass ich hier von einem weiten Verständnis des Faches „Handelsrecht“ ausgehe, also nicht bloß das „Unternehmensaußenrecht“ meine.
3. Zum Anliegen und Gegenstand des Handelsrechts vgl Krejci, Handelsrecht 2. Aufl (2001) 4 ff; vgl auch Roth/Fitz, Handels-und Gesellschaftsrecht (2000) 3 ff; eher knapp: Hämmerte/ Wünsch, Handelsrecht I, Allgemeine Lehren und Handelsstand, 4. Aufl (1990) 1 ff; Holzhammer, Allgemeines Handelsrecht und Wertpapierrecht, 8. Aufl (1998) 1 f.
4. Vgl hiezu die das Wesentliche aufzeigende Kritik bei F. Bydlinski, System 434.
5. Dies zeigt sich zB im Bereich des Arbeitsrechts, das am Grundtatbestand des Arbeitsverhältnisses, in welchem „persönliche Abhängigkeit“ vorherrscht, anknüpft. Das Anliegen des Arbeitsrechts, den Arbeitnehmer vor Nachteilen zu schützen, die ihm vom überlegenen Arbeitgeber drohen, hat seinen Grund keineswegs nur in der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers, sondern hauptsächlich in seiner wirtschaftlichen, dh im Angewiesensein, vom Einsatz seiner Arbeitskraft im Unternehmen eines anderen leben zu müssen. Dennoch hat der Gesetzgeber davon Abstand genommen, die wirtschaftliche Abhängigkeit zum Grundtatbestandsmerkmal des Arbeitsrechts zu erheben, weil ihr jeweiliger Nachweis im Einzelfall die Rechtsdurchsetzung erheblich erschweren würde. Daher steht auch der wirtschaftlich Unabhängige unter dem Schutz des Arbeitsrechts, obwohl er sich auch ohne diesen Schutz von einem „lästigen“ Arbeitgeber nichts gefallen lässt, weil er ihm jederzeit das Arbeitsverhältnis aufkündigen kann, ohne dadurch seine Existenz zu gefährden. Das Arbeitsrecht gilt also auch für denjenigen, der seinen Schutz nicht braucht. Andererseits stellt sich die Frage, ob und inwieweit auch solche Dienstnehmer geschützt sind, die vom Dienstgeber zwar persönlich, keineswegs aber wirtschaftlich unabhängig sind. Dies führt zur Problematik der sogenannten „arbeitnehmerähnlichen Personen“. Auch im Bereich des Verbraucherrechts stellt der Grundtatbestand des Verbrauchergeschäftes nicht auf die Unterlegenheit des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer ab, sondern begnügt sich, den Unternehmer und damit zugleich den NichtUnternehmer zu beschreiben. Somit steht auch der starke Verbraucher gegenüber einem schwachen Unternehmer unter dem Schutz des Verbraucherrechts, hingegen ist der schwache Unternehmer gegenüber einem starken nicht geschützt (sofern ihm nicht der Schutz vor unerlaubten AGB-Klauseln nach § 879 Abs 3 ABGB zugute kommt). Beide Beispiele zeigen, dass das teleologische Anliegen der jeweiligen Rechtsgebiete aus Gründen der Rechtssicherheit nicht mit den legistischen Grundtatbeständen harmoniert.