Abstract
ZusammenfassungDer Beitrag analysiert ostdeutsche Identitätsbildungsprozesse bei jungen Erwachsenen im Jahr 2004 und rund zehn Jahre später. Empirische Basis ist ein Intra- und Interkohortenvergleich der Befunde von drei qualitativen Studien basierend auf Leitfadeninterviews und Gruppendiskussionen. Dieser diachrone Vergleich zeigt partielle Kontinuitäten in den Identitätskonstruktionen der ostdeutschen Befragten: Die wahrgenommene Abwertung Ostdeutschlands bildet weiterhin den zentralen Ausgangspunkt der Identifizierung als ostdeutsch und die Reaktionen darauf sind ebenso weiterhin heterogen. Diese Heterogenität wird zu einer Typologie verdichtet: Manche Ostdeutsche zielen auf eine Aufwertung ihrer kollektiven Identität durch Umdeutung und beziehen sich dabei auf kollektivistische Werte oder die gelungene Bewältigung der Systemtransformation. Andere lehnen die Identifikation als ostdeutsch und die Klassifizierung in Ost und West als überholt und illegitim ab. Allerdings lässt der nach 1990 geborene Teil dieser Gruppe zusätzlich individuelle Strategien instrumenteller Identitätsbildung erkennen. Diese Heterogenität ostdeutscher Identität(en) kann auf Kohortenunterschiede und soziale Merkmale der Probanden zurückgeführt werden. Zugleich wird der Einfluss des Forschungsdesigns und insbesondere der Fallauswahl der einbezogenen Studien auf die Ergebnisse methodologisch diskutiert. Die Befunde dienen damit als Ausgangspunkte für zukünftige Intra- und Interkohortenvergleiche, in denen die individuellen und methodischen Einflussfaktoren für Identitätsbildungsprozesse stärker berücksichtigt werden sollten.
Publisher
Springer Science and Business Media LLC
Subject
Sociology and Political Science
Reference29 articles.
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Cited by
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