Abstract
ZusammenfassungAm Ende einer inklusiven Grundschulzeit können Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) in die 5. Klasse einer Regel- oder Förderschule wechseln. In vielen Bundesländern liegt die Entscheidung darüber bei den Eltern. Die Lehrkräfte beraten sie dabei und sprechen eine Empfehlung aus, der die Eltern oftmals auch dann folgen, wenn diese für sie unverbindlich ist. Für Kinder ohne SPF weist die Empfehlung entgegen rechtlichen Vorgaben nicht nur einen Zusammenhang mit kindbezogenen, sondern auch mit familiären sowie schulstrukturellen Merkmalen auf und führt daher zu sozialer und regionaler Ungleichheit am Grundschulübergang. Für Kinder mit SPF ist dies unerforscht. In leitfadengestützten narrativ-episodischen Interviews wurden 12 Regel- bzw. Sonderpädagog/innen aus Nordrhein-Westfalen zum Übergang eines Kindes mit SPF befragt. In der inhaltsanalytischen Auswertung erwiesen sich alle drei Kategorien von Kriterien als empfehlungsrelevant, dies jedoch in unterschiedlicher Gewichtung und in Abhängigkeit von der empfohlenen Schulart (inklusiv vs. exklusiv). Schulstrukturelle Kriterien (v. a. Fördermöglichkeiten an der Regelschule) spielten unerwarteterweise eine ebenso große Rolle für die Empfehlung wie kindbezogene Kriterien (v. a. Leistung, Arbeitsverhalten, Persönlichkeitsmerkmale). Familiäre Kriterien (v. a. Unterstützungsmöglichkeiten) kamen weit weniger zur Sprache, waren aber vor allem bei der Empfehlung einer Förderschule relevant. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund sozialer und regionaler Bildungsungleichheit diskutiert.
Publisher
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