1. Nicht zu folgen ist demgemäß auch derjenigen Auffassung, nach welcher aus der vertretenen Unrechtsbestimmung im Allgemeinen keine Konsequenzen sich ergeben sollen für die Problematik des subjektiven Rechtfertigungselements. So jedoch Schild, Straftat, 124: „Auch für die ‚subjektiven Rechtfertigungselemente ‘gibt eine Unrechtslehre im eigentlichen Sinne nichts her, sondern die Frage ist — unabhängig von irgendwelchen Unrechtskonzeptionen der allgemeinen Rechtslehre — jeweils sachgerecht in spezifisch strafrechtlicher Weise zu lösen.“
2. Zu diesem Unrechtsbegriff etwa Reichert /Ruder, Polizeirecht, S. 88 Rn. 213. — Das in dieser Rechtsmaterie gebräuchliche Merkmal der Gefahr muss einen unrechtlichen Zustand bzw. Ablauf zum Ausdruck bringen, der nicht sein soll. Widrigenfalls dürfte gegen ihn nicht eingeschritten werden.
3. Es fällt der Kriminalrechtswissenschaft nicht leicht, sich ihres eigenen Gegenstandes zu versichern bzw. dessen habhaft zu werden. Trotz oder gerade aufgrund der zentralen Relevanz des Wissens um das Substrat, welches „Kriminalunrecht“ eigentlich ausmacht, stößt eine Definition auf außergewöhnliche Schwierigkeiten. — Die der vorliegend vertretenen diametral entgegengesetzte Position geht sogar von der Unlösbarkeit dieser Aufgabe aus — so prononciert etwa Androulakis, ZStW 108 (1996), 300 ff., 300: „Was ist Verbrechen? Diese Frage ist nicht beantwortbar …“ — Allein, diese Position würde, konsequent durchgehalten, bedeuten, dass bezüglich keines Delikts mehr entschieden werden könnte, ob es sich bei dessen Substrat um Kriminalunrecht handelt oder nicht und insbesondere, ob es zutreffend dem Strafgesetzbuch angehört oder nicht. Ein Agnostizismus, der — unter Verstoß gegen den unbedingten Imperativ — zu Lasten des Subjekts gehen kann. — Der Ansatz bei einem „Primat der Strafe“, den Androulakis postuliert, setzt in vermittelter Weise die — unthematische — Anwesenheit des Begriffs des Kriminalunrechts voraus (a. a. O., Androulakis, ZStW 108 (1996) passim), vor allem soll die Strafe eben nur als besondere Missbilligung „eines normwidrigen Verhaltens wegen auferlegt“ werden (a. a. O., Androulakis, ZStW 108 (1996) 303). In diesem Zusammenhang auch Lesch, Verbrechensbegriff, bes. 184 f., S. 185: „Für ein funktionales Strafrechtssystem versteht es sich aber von selbst, den Unrechtsbegriff und … die Struktur der dafür maßgeblichen Rechtssätze in einem Funktionszusammenhang mit der genuin strafrechtlichen Rechtsfolge zu entfalten …“ (Hervorhebung übernommen). — Allerdings gilt bezüglich eines solchen Ansatzes nach der Auffassung von SK-Günther, Vor § 32 Rn. 3: „Die größten Aussichten auf Konsens verbucht der Ansatz, das Verbrechen von seinen unmittelbaren Rechtsfolgen her inhaltlich zu definieren, der Strafe und den Maßregeln der Besserung und Sicherung …“. (Dort Hervorhebungen und zahlreiche Nachweise.) — Auch Naucke, Wechselwirkung, 35 ff, der von einer enumerativen Definition eines „ernstgenommenen“ Verbrechensbegriffs ausgeht, kann nicht auskommen, ohne ein der Enumeration vorausliegendes abstrakt-definitorisches Kriterium vorauszusetzen (dazu auch Androulakis, ZStW 108 (1996), 301 Fn. 5). Mitunter wird auch — brevi manu — ohne erkennbare Reflexion auf den Begriff des Kriminalunrechts und dessen Begründung ein Poenalisierungsverlangen geäußert; Exempel (mit allerdings zutreffendem Resultat): die Argumentation von Schaefer/Wolf, ZRP 2001, 27 f. — Die besonderen Schwierigkeiten der Begriffsbestimmung führen nicht zu deren Unmöglichkeit; Sessar, Kaiser-Fs., Bd. 1, 430 ff., z. B. macht es sich bei seiner Recherche etwas zu einfach, bezieht ein zu kleines Spektrum, auf jene Bestimmung gerichteter Strömungen in seine Betrachtung ein. — Siehe demgegenüber die Begriffsbestimmung von E. A. Wolff, Kriminalunrecht, bes. 213. — In diesem Kontext ferner auch Lampe, Schmitt-Fs., 80 ff., der einen „negativen “ „materiellen Straftatbegriff“ bildet (zusammenfassend, S. 93 f., Zitat, mit Hervorhebungen, von S. 93), und Stratenwerth, AT I, S. 31 Rn. 1. Zu Lesch, a. a. O., AT I, S. 31 ist kritisch hinzuzufügen: „Wer also eine Strafrechtsdogmatik mit kritischer Potenz favorisiert, wird hier nicht auf seine Kosten kommen“ (daselbst, S. VII f.); und wenn es dort weiter heißt: „sollte aber bedenken, daß mit einer Verwischung der funktionalen Differenzierung zwischen Kriminalpolitik und Strafrechtsdogmatik zugleich auch der rechtsstaatliche Gewinn eines funktionalen Ansatzes verspielt wird“ (dort S. VIII), so wird verkannt, dass eine „Strafrechtsdogmatik mit kritischer Potenz“ nicht mit Kriminalpolitik gleichzusetzen ist und dass ein — im genannten Sinne — „material-unkritischer“ Funktionalismus keinen „rechtsstaatlichen Gewinn“ bedeutet.
4. Ein besonders neuralgischer Punkt in der Abgrenzung von Kriminalrecht und Zivilrecht muss mit der Funktionsbestimmung des Schmerzensgeldes verbunden sein; hierzu Hirsch, Schriften, 3 ff.
5. Dass zum Teil das Kriminalrecht Zivil-und Polizeiunrecht erst konstituiert, insoweit also eine Unrechtsidentität besteht, ist mit der Annahme einer besonderen — gesteigerten — Unrechtsqualität des Kriminalunrechts durchaus vereinbar (anders Weber, JZ 1984, 276). Denn aus der Tatsache jener Konstitutionswirkung folgt nicht, dass die Unrechtsbegriffe der anderen Rechtsgebiete das Kriminalunrecht auch vollständig zu erfassen bzw. in sich aufzunehmen vermögen und aufgenommen haben.