Abstract
ZusammenfassungDie Studie untersucht die Aushandlung von Säkularität in öffentlichen Organisationen anhand des Beispiels von Körperpraktiken im Schwimmbad. Gefragt wird, inwiefern es durch das Aufkommen des Burkinis zu einer Neuaushandlung der Rolle von Religion im eigentlich als komplett säkular wahrgenommenen Schwimmbad kommt. Analysiert werden 101 kurze Interviews mit Badegästen im Schwimmbad. Die Datenanalyse zeigt, dass eigene Körperpraktiken vor allem mit Verweis auf Einhaltung der Mehrheitsnorm legitimiert werden. Bei Abweichung von der Norm kommen funktionale und teils wertebezogene Argumente zum Tragen. Die Befürwortung fremder Körperpraktiken, die sich wie beispielsweise der Burkini von den eigenen unterscheiden, wird aber anders, nämlich unter Bezug auf höhere Werte wie Diversität oder Selbstbestimmung legitimiert. Ein mit eigenen Erfahrungen verbundenes Nachempfinden religiös motivierter Körperscham konnte unter den hier befragten nichtmuslimischen Personen nicht beobachtet werden. Theoretisch liefert der Aufsatz einen Beitrag zu der Literatur über das Verhältnis zwischen säkularem und religiösem Körper, indem er verdeutlicht, dass die wahrgenommene Irrationalität religiös genormter Körperpraktiken nicht durch Verständnis, sondern durch wertebasierte Toleranz bearbeitet wird. Die Studie diskutiert zudem die Rolle von Organisationsregeln für die Ermöglichung religiöser Körperpraktiken sowohl hinsichtlich ihrer Fähigkeiten als auch Grenzen, die vor allem in den Reaktionen der Nutzerschaft begründet liegen.
Funder
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Publisher
Springer Science and Business Media LLC
Subject
Sociology and Political Science,Social Psychology