Abstract
ZusammenfassungDer Psychiater Ewen Cameron hat bereits in den 1930er Jahren organisatorische Grundlagen für die sozialpsychiatrische Reform der psychiatrischen „Anstalt“ gelegt, das open-door-System eingeführt und 1946 die weltweit erste psychiatrische Tagesklinik gegründet. Ebenso hat er mit dem „psychic driving“ eine „automatisierte Psychotherapie“ entwickelt sowie die somatischen Behandlungsverfahren seiner Zeit (wissenschaftlicher Kontext) zu einer neuen Therapieform gebündelt, dem „depatterning“. Sein Bild in der Öffentlichkeit wurde zunächst durch seine charismatische und mit bedeutenden Ehrungen anerkannte Persönlichkeit geprägt, u.a. wurde Cameron 1961 Gründungspräsident des Weltverbandes für Psychiatrie (WPA). Als 1977 bekannt wurde, dass eines seiner Forschungsprojekte von der CIA verdeckt mitfinanziert worden war, wurde er zum Inbegriff des brainwashing-Experten stilisiert. Die in die gesellschaftliche Atmosphäre des kalten Krieges mit ihren Verschwörungsvermutungen eingebettete öffentliche Beschäftigung mit der „Gehirnwäsche“ und den Gedankenkontrolltechniken der CIA (gesellschaftlicher Kontext) veränderte das posthume Bild von Ewen Cameron grundlegend. Im kritischen Rückblick hat er seine Forschung in einem klinischen Kontext realisieren können, das sowohl sein Forschungskonzept tolerierte und offenbar höher als das Leiden des einzelnen Kranken bewertete, als auch die klaren ethischen Regeln des Jahres 1948 (Nürnberger Kodex, Genfer Deklaration des Weltärztebundes wie auch der UN-Deklaration der Allgemeinen Menschenrechte) noch nicht internalisiert hatte. Auch mit seinen sozialtechnischen Phantasien lief Cameron Gefahr, die sozialpsychiatrische Versorgung psychisch Kranker zu verlassen und in eine totalitäre Ideologie abzugleiten.
Funder
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Publisher
Springer Science and Business Media LLC
Subject
Psychiatry and Mental health,Neurology (clinical),Neurology,General Medicine
Reference42 articles.
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