Abstract
ZusammenfassungEin unvorhergesehener klinischer Zwischenfall kann bei medizinischem Personal zu einer Traumatisierung mit psychologischen, kognitiven und körperlichen Folgen führen (Second-Victim-Phänomen). Ein Entlastungsgespräch unter Kolleg:innen (Peer-to-Peer) bedient sich standardisierter Abläufe und scheint eine geeignete, niederschwellige Strategie zu sein, um Kolleg:innen psychisch und emotional zu entlasten. In der Klinik Hietzing (Wien) wurde im Zeitraum von 2019–2021 unter wissenschaftlicher Begleitung ein umfassendes Programm zur Unterstützung der Mitarbeiter:innen nach belastenden Ereignissen implementiert. Ziel dieses Programms, welches im deutschen Sprachraum in diesem Umfang bisher erstmals durchgeführt wurde, war primär die Erhebung valider Daten zur Prävalenz des Second-Victim-Phänomens und zum Interventionseffekt der „Kollegiale Hilfe“ (KoHi). In einem mehrstufigen Verfahren wurden zunächst rund 2800 Mitarbeiter:innen aller Berufsgruppen und Abteilungen mit Hilfe des SeViD-Fragebogens befragt. In weiterer Folge wurden 122 Personen in einer 5‑stündigen Schulung zu Kollegial Helfenden ausgebildet. Diese Personen sollten nach dieser Schulung imstande sein, psychologische Entlastungsgespräche zu führen und Erstmaßnahmen zu setzen. Unmittelbar vor und nach jeder Schulung fand eine schriftliche Befragung der Teilnehmer:innen statt, um Erwartungen und die erworbene Kompetenz sowie die Selbstwirksamkeit zu eruieren. Die häufigsten Beweggründe für die Teilnahme an der Schulung waren ethischer/altruistischer Natur und der Wunsch nach Kompentenzerweiterung. Die bereits initial sehr hohe Motivation wurde durch die Schulungsintervention noch weiter gesteigert. Nach der Schulung fühlten sich 96 % der Teilnehmer:innen kompetent genug, ihre Kolleg:innen über die Relevanz der Second-Victim-Thematik zu informieren. Neben den bereits beschriebenen Maßnahmen wurde eine systematische Evaluation aller KoHi-Einsätze mittels telefonischer Supervision etabliert, um die Kollegial Helfenden selbst zu entlasten und ggf. weitere psychologische Unterstützungsmaßnahmen für die Second Victims zur Verfügung zu stellen. Ungefähr 3 Jahre nach der ersten Basiserhebung erfolgte eine zweite Befragung, um die Jahresprävalenz des Second-Victim-Phänomens, den Wissens- und Kenntniszuwachs sowie die Nutzung der vorhandenen Unterstützungsangebote zu evaluieren.
Publisher
Springer Science and Business Media LLC
Subject
Public Health, Environmental and Occupational Health
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