Abstract
ZusammenfassungTrotz zunehmender Ungleichheit verzichten viele Demokratien auf Steuererhöhungen für Reiche. Der Beitrag untersucht am deutschen Fall die Gründe für diese Zurückhaltung sowie Faktoren, durch die Reichenbesteuerung auf die politische Agenda gelangt. Eine Analyse der Wahlkämpfe seit 2005 zeigt ein allenfalls zögerliches Eintreten der SPD für höhere Steuern. Interviews mit politischen Akteuren verweisen als Hauptgründe auf die Gegenmobilisierung durch Wirtschaftsinteressen, eine ablehnende öffentliche Meinung und einen Mangel an Steuerexpertise in linken Parteien. Der Wahlkampf 2021 weicht von diesem Muster ab. Die Betonung der Reichenbesteuerung durch die SPD erklärt sich durch eine auf Steuerpolitik fokussierte Parteiführung, die Salienz von Investitionsbedarfen und eine programmatische Schwäche von Union und FDP bei der Finanzierung dieser Bedarfe. Gerade mit einem gemäßigten Spitzenkandidaten konnte die SPD so Steuererhöhungen ohne Verlust an zugeschriebener Wirtschaftskompetenz fordern. Als zweiten Schritt untersucht der Beitrag in Umfrageexperimenten und Fokusgruppen mit Geringqualifizierten, ob die Steuerkampagne zum Wahlerfolg der SPD beigetragen hat. Dies scheint nicht der Fall zu sein. Insgesamt bestätigen sich in Interviews geäußerte Annahmen in der Politik über die öffentliche Meinung: Steuern stoßen durch ihre Komplexität auf geringes Interesse, verunsichern durch unklare Effekte, sind insgesamt negativ konnotiert und werden als schädlich für die Wirtschaft betrachtet. Steuern für Reiche werden zudem häufig aus meritokratischen Ideologien abgelehnt.
Funder
Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen
Universität Duisburg-Essen
Publisher
Springer Science and Business Media LLC
Subject
Sociology and Political Science
Reference49 articles.
1. Bach, Stefan, und Martin Viktor Beznoska Steiner. 2016. Wer trägt die Steuerlast? Verteilungswirkungen des deutschen Steuer- und Transfersystems. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung.
2. Bartels, Larry M. 2005. Homer gets a tax cut: Inequality and public policy in the American mind. Perspectives on Politics 3(1):15–31.
3. Beach, Derek. 2020. Process Tracing Methods. In Handbuch Methoden der Politikwissenschaft, Hrsg. Claudius Wagemann, Achim Goerres, und Markus Siewert, 699–719. Wiesbaden: Springer VS.
4. Beckert, Jens H., und Lukas R. Arndt. 2017. Verdient – Unverdient. Der öffentliche Diskurs um die Erbschaftssteuer in Deutschland und Österreich. Berliner Journal für Soziologie 27(2):271–291.
5. Bremer, Björn. 2020. The political economy of the SPD reconsidered: evidence from the great recession. German Politics 29(3):441–463.
Cited by
2 articles.
订阅此论文施引文献
订阅此论文施引文献,注册后可以免费订阅5篇论文的施引文献,订阅后可以查看论文全部施引文献