Abstract
ZusammenfassungDer Niedergang des Abendlandes und der eigenen Nation ist (auch historisch) innerhalb des Rechtsextremismus und der Neuen Rechten ein zentrales Narrativ des Kulturpessimismus. Durch Dynamiken der liberalen Moderne geht eine als stabil angenommene Identität Deutschlands bzw. Europas verloren. Vom Niedergang einer christlichen Identität Europas bzw. vom Tod des deutschen Volkes handeln die in dieser Untersuchung analysierten Beiträge aus dem Kontext der Neuen Rechten. Hierbei werden apokalyptische Deutungen aufgegriffen, die das Ende des Christentums u. a. mit der „Islamisierung“ begründen. Neben der wissenssoziologisch-rekonstruktiven Analyse dieser apokalyptischen Deutungen legt der Beitrag jedoch einen weitergehenden Fokus: So wird der Frage nachgegangen, inwiefern sich antisemitische Motive in diesen apokalyptischen Deutungen wiederfinden. Zunächst werden Grundformen der modernen Apokalyptik dargestellt und in Bezug auf unterschiedliche antisemitismustheoretische Aspekte gesetzt. Die Analyse der hier angeführten Texte legt unterschiedliche apokalyptische Geschichtsdeutungen offen: So zeigen sich sowohl Formen einer inversen Apokalypse, durch die ein zukünftiger Heilszustand in eine erstrebenswerte Vergangenheit verlegt wird, als auch christlich-eschatologische Hoffnungen auf das Eingreifen Gottes in die Geschichte. Trotz dieser unterschiedlicher apokalyptischer Deutungsmuster unterscheiden sich die drei Texte jedoch nicht in ihrer Affinität zu antisemitisch geprägten Semantiken und ebenso antisemitisch grundierten Verschwörungsnarrativen.
Funder
Eberhard Karls Universität Tübingen
Publisher
Springer Science and Business Media LLC
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