Muslim*innen in kommunalpolitischen Spitzenpositionen? Über die Prävalenz gegen muslimische Bürgermeisterkandidat*innen gerichtete Einstellungen in Deutschland und ihre sozial-psychologischen Triebfaktoren

Author:

Öztürk Cemal

Abstract

ZusammenfassungIn Deutschland sind Bürgermeister*innen muslimischen Glaubens kein Novum mehr und doch wäre es falsch von einer neuen Normalität zu sprechen. Besonders deutlich wurde dies durch die zurückgezogene Bürgermeisterkandidatur von Sener Sahin in der bayrischen Landgemeinde Wallerstein, die Anfang dieses Jahres für überregionale Schlagzeilen sorgte. Sein Fall zeigt exemplarisch, dass Muslim*innen in Deutschland immer seltener in ihrer individuellen Vielfalt wahrgenommen werden und dass die gegen Muslim*innen existierenden gruppenbezogenen Vorurteile dem Gleichheitsgebot des deutschen Grundgesetzes zuwiderlaufen. Dieser Aufsatz nimmt die Geschehnisse in Wallerstein zum Anlass, um einen empirisch-analytischen Blick auf die deutsche Gesellschaft zu werfen. Im Fokus steht dabei (a) die Prävalenz gegen muslimische Bürgermeisterkandidat*innen gerichteter Einstellungen und (b) ihre sozial-psychologischen Triebfaktoren. Die Auswertung einer Repräsentativbefragung des ALLBUS (2016) zeigt, dass die pauschale Ablehnung von muslimischen Bürgermeisterkandidat*innen keine Seltenheit in Deutschland ist. Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung steht muslimischen Bürgermeisterkandidat*innen skeptisch bis ablehnend gegenüber. Diese Negativhaltungen werden von einem ganzen Konglomerat sozial-psychologischer Erklärungsfaktoren begünstigt: Mitglieder freikirchlich-evangelischer Gemeinden, orthodoxe Christen*innen, sowie Befragte mit einem ausgeprägten Nationalstolz (Social-Identity-Hypothese); und insbesondere Bürger*innen, die den Islam und seine Angehörigen als Bedrohung wahrnehmen (Integrated-Threat-Theory-Hypothese), tendieren dazu, den Teilhabeaspirationen von Muslim*innen eine Absage zu erteilen. Besonders häufig findet sich diese Ablehnungshaltung unter Wählergruppen des rechten Parteienspektrums, unter älteren Befragten, in ländlichen Gebieten und an Orten, in denen Muslim*innen eine verschwindend geringe Minderheit darstellen. Vice versa können sich Kontakte mit Menschen mit einem Migrationshintergrund als Antiserum gegen anti-muslimische Vorurteile erweisen (Kontakt-Hypothese).

Funder

Universität Duisburg-Essen

Publisher

Springer Science and Business Media LLC

Reference85 articles.

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