Abstract
ZusammenfassungSeit dem Aufkommen lautstarker und öffentlichkeitswirksamer Proteste gegen die Corona-Politik wird immer öfter das Konzept der conspirituality bemüht, um den ideologischen Kitt des heterogenen Protestmilieus theoretisch zu bestimmen. Im vorliegenden Artikel wird zum einen nachgezeichnet, wie sich verschwörungs- und esoterisch-spirituelles Denken in der conspirituality miteinander verzahnt und wie diese Vorstellungs- und Gefühlswelten von okkulten Milieus ausgehend diffundierten und allmählich popularisiert wurden. Zum anderen wird anhand einer tiefenhermeneutischen Einzelfallanalyse eines biografisch-narrativen Interviews mit einer Protestteilnehmerin gezeigt, dass die Ideologiefragmente auf idiosynkratische Weise angeeignet und in die eigenen Deutungssysteme eingeflochten werden. Durch diese Herangehensweise gerät weiterhin in den Blick, welche Unsicherheiten durch die Pandemie und die politischen Versuche dieser Herr zu werden ausgelöst wurden und wie diese zu lebensgeschichtlichen Erfahrungs- und Beziehungsmustern der Interviewten stehen. Vor diesem Hintergrund, so das Fazit der Studie, dient die conspirituality als Schiefheilungsschablone, die es erlaubt gesellschaftlich (mit-)produzierte, innere Konfliktlagen zu bearbeiten und abzufedern, indem unerträgliche Affekte, Ambivalenzen und Ängste, aber auch unerfüllte Wünsche nach Harmonie und Geborgenheit projektiv entweder in die Natur gelegt oder bösartigen Verschwörer:innen zugeschrieben werden.
Funder
Sigmund Freud Privatuniversität Wien
Publisher
Springer Science and Business Media LLC
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