Abstract
ZusammenfassungDer Beitrag setzt sich kritisch mit dem Prinzip des prokreativen Wohltuns (principle of procreative beneficence, PB) von Julian Savulescu und seinen Implikationen für den Umgang mit der Präimplantationsdiagnostik (PID) auseinander. PB fordert angehende Eltern dazu auf, aus mehreren möglichen zukünftigen Kindern dasjenige auszuwählen, dessen Leben voraussichtlich am besten verlaufen wird. Paare mit Kinderwunsch sind danach zumindest unter bestimmten Umständen (z. B. wenn im Rahmen einer unabhängig indizierten IVF mehr Embryonen entstehen, als übertragen werden können) moralisch verpflichtet, eine PID in Anspruch zu nehmen, um die Weitergabe genetisch bedingter Krankheiten zu verhindern. Die Auswahl von Embryonen im Rahmen einer PID kann jedoch nur dann mit dem Wohlergehen des zukünftigen Kindes begründet werden, wenn man die entsprechende Wohltunspflicht mit Savulescu und Kahane als „unpersönliche“ moralische Pflicht versteht. PB wirft daher die Frage nach der Relevanz unpersönlicher Erwägungen für Entscheidungen über Fortpflanzung und Familiengründung auf. Gegen Savulescu und Kahane argumentiere ich dafür, reproduktive Verantwortung als einen integralen Aspekt elterlicher Verantwortung und damit als personenbezogene Verantwortung zu deuten, und verteidige diese Konzeption reproduktiver Verantwortung gegen Einwände, die sich aus einem von Savulescu und Kahane konstruierten hypothetischen Szenario – dem Röteln-Beispiel – ergeben.
Funder
Zentrum für Gesundheitsethik
Publisher
Springer Science and Business Media LLC
Subject
Health Policy,Philosophy,Health(social science),Issues, ethics and legal aspects