Author:
Ramsthaler F.,Trouvain A.,Birngruber C. G.,Kettner M.,Heinbuch S.
Abstract
Zusammenfassung
Einführung
Augapfeltätowierungen („eyeball tattoos“, syn. episklerale Tätowierungen) sind ein neuer Trend extremer „body modification“, bei dem mit einer Nadel Tätowierfarbe unter die Bindehaut injiziert wird und zu einer irreversiblen Färbung der Sklera führt. In der medizinischen Fachliteratur werden vermehrt Fallberichte vorgestellt, bei denen teils schwerwiegende Komplikationen aufgetreten sind.
Material und Methoden
Neben einer aktuellen Literaturreche zum Thema wurde eine Anfrage an 120 zufällig ausgewählte Tattoo-Studios in 6 europäischen Ländern gerichtet, ob sie Eyeball-Tätowierungen anbieten. Die Kommunikation wurde bei den Studios, die diese Frage positiv beantworteten, gezielt vertieft. Ziel war es, einen Eindruck zu Angebot und Nachfrage, der Aufklärung über Risiken, Häufigkeit und Art beobachteter Komplikationen, den Vorerfahrungen und ggf. zur medizinischen Ausbildung der Tätowierenden sowie zum organisatorischen und zum technischen Ablauf der eigentlichen Prozedur der episkleralen Tätowierung im jeweiligen Studio zu gewinnen. Auf Tattoo Conventions und über Foren in sozialen Medien wurden 6 Personen mit max. 7 Jahre alten Eyeball tattoos ausführlich zu ihren Erfahrungen vor, während und nach der Augapfeltätowierung befragt.
Resultate
Neun Studios teilten mit, Augapfeltätowierungen anzubieten bzw. durch Gasttätowierer organisieren zu können. Die restlichen 49 Studios lehnten diese Prozedur ab. Insgesamt 4 Studios schätzten die Häufigkeit der Prozedur auf 10- bis 20-mal/Jahr; die restlichen Studios gaben an, lediglich sporadische Anfragen zu erhalten. Durch ein Studio wurde der Fall einer schweren Komplikation in Form einer persistierenden anhaltenden Infektion mit initial reduziertem, später gebessertem Visus berichtet. Ein Tätowierer gab an, in ca. jedem 20. Fall Pigmentwanderungen in die periorbitalen Gewebe zu beobachten. Postprozedural wurden bis zu 2 Wochen andauernde Kopfschmerzen, anhaltendes Fremdkörpergefühl und Lichtempfindlichkeit beschrieben. Keine der interviewten Personen mit Eyeball tattoos habe eine bleibende Visusminderung bemerkt, eine beklagte Lichtscheu, eine weitere negative soziale Folgen. Ablehnungserfahrungen seien jedoch seltener als Zuspruch.
Schlussfolgerung
Episklerale Tätowierungen sind noch selten, nehmen aber stetig zu. Sie werden von Personen durchgeführt, die keine hinreichende medizinische Ausbildung besitzen und eintretende Komplikationen nicht ausreichend einschätzen können. Die im Interview berichtete Seltenheit schwerwiegender Komplikationen kontrastiert mit der Darstellung desaströser Folgen in den sozialen Medien, deren breite Präsenz jedoch auf redundanten Darstellungen einzelner Fälle beruhen kann. Andererseits sind die Angaben der Befürworter zu hinterfragen, weil sie womöglich aus geschäftlichen Überlegungen heraus oder aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen Problemfälle unterschlagen oder deren Verläufe beschönigen. Die Diskussion, ob solche risikoreichen irreversiblen Body modifications verboten werden sollten, muss von anderer Stelle geführt werden.
Funder
Universitätsklinikum des Saarlandes und Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes
Publisher
Springer Science and Business Media LLC
Subject
Pathology and Forensic Medicine