Diagnostik von Lernstörungen: Zeit zum Umdenken

Author:

Mähler Claudia1

Affiliation:

1. Institut für Psychologie, Universität Hildesheim, Hildesheim, Deutschland

Abstract

Zusammenfassung. Lernschwierigkeiten beim Erwerb der Schriftsprache oder des Rechnens gehört für ca. ein Drittel aller Grundschulkinder zum schulischen Alltag. Wenn diese Schwierigkeiten länger andauern, wird von Lernschwächen, Lernstörungen oder Lernbehinderungen gesprochen. Die begriffliche Abgrenzung wird aktuell durch verschiedene Klassifikationskriterien in verschiedenen Klassifikationssystemen (ICD-10/11, DSM-5 oder AWMF Leitlinien) sehr erschwert, was Unsicherheiten in der Diagnostik und auch divergierende pädagogische Konsequenzen zur Folge hat. Eine besondere Rolle spielt dabei das sogenannte doppelte Diskrepanzkriterium für die Diagnose einer Lernstörung: Die Leistung eines Kindes muss unter dem nach dem Alter bzw. der Beschulung und der Intelligenz zu erwartenden Niveau liegen. Die Schulleistung muss also erwartungswidrig ausfallen – das betroffene Kind bleibt hinter den für die Klassenstufe typischen Leistungen und auch hinter den eigenen allgemeinen kognitiven Fähigkeiten zurück. Das Kriterium der Diskrepanz der Schulleistung zur Intelligenz wird seit langem kontrovers diskutiert und ist in den Klassifikationssystemen unterschiedlich verankert. Seine Anwendung hat sowohl für die diagnostische als auch für die pädagogische Praxis weitreichende Konsequenzen. Es führt dazu, dass Kinder mit Diskrepanz zwischen Schulleistung und Intelligenz die Diagnose „Lernstörung“ erhalten, Kinder ohne diese Diskrepanz haben eine „Lernschwäche“, beide Gruppen erfahren unterschiedliche schulische und außerschulische Lernförderung. Der vorliegende Beitrag stellt die Berechtigung dieses Kriteriums der Diskrepanz zwischen Schulleistung und Intelligenz anhand empirischer Evidenz in Frage und beleuchtet Konsequenzen sowohl für die bislang gängige Anwendung des doppelten Diskrepanzkriteriums als auch für den Verzicht darauf. Das Fazit dieser Erörterung rät zum Umdenken.

Publisher

Hogrefe Publishing Group

Subject

Developmental and Educational Psychology

Reference55 articles.

1. LeFiS-Lernförderung in Schulen – Evaluation eines Modellprojekts zur schulinternen Lerntherapie für Kinder mit Lese- & Rechtschreibschwierigkeiten

2. Blumenthal, Y. & Hartke, B. (2015). Der Response to Intervention-Ansatz – eine Grundlage für ein präventives und inklusives Beschulungskonzept. In R. Krüger & C. Mähler (Hrsg.), Gemeinsames Lernen in inklusiven Klassenzimmern S.49–61). Neuwied: Carl Link Verlag.

3. Arbeitsgedächtnisfunktionen von Kindern mit Minderleistungen in der Schriftsprache

4. Arithmetic Fact Retrieval

Cited by 5 articles. 订阅此论文施引文献 订阅此论文施引文献,注册后可以免费订阅5篇论文的施引文献,订阅后可以查看论文全部施引文献

同舟云学术

1.学者识别学者识别

2.学术分析学术分析

3.人才评估人才评估

"同舟云学术"是以全球学者为主线,采集、加工和组织学术论文而形成的新型学术文献查询和分析系统,可以对全球学者进行文献检索和人才价值评估。用户可以通过关注某些学科领域的顶尖人物而持续追踪该领域的学科进展和研究前沿。经过近期的数据扩容,当前同舟云学术共收录了国内外主流学术期刊6万余种,收集的期刊论文及会议论文总量共计约1.5亿篇,并以每天添加12000余篇中外论文的速度递增。我们也可以为用户提供个性化、定制化的学者数据。欢迎来电咨询!咨询电话:010-8811{复制后删除}0370

www.globalauthorid.com

TOP

Copyright © 2019-2024 北京同舟云网络信息技术有限公司
京公网安备11010802033243号  京ICP备18003416号-3