Zwang in der Intensivmedizin: unzulässig, aber wir tun es

Author:

Jöbges Susanne1

Affiliation:

1. Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin, Schmerz- und Palliativmedizin, Klinikum Dortmund, Klinikum der Universität Witten/Herdecke

Abstract

Was ist neu? In welchen Formen wird Zwang auf Intensivstationen wahrgenommen? Formeller und informeller Zwang sowie Zwangsbehandlung existieren auf Intensivstationen und werden sowohl von den Patienten als auch von dem Team wahrgenommen. Formeller Zwang umfasst Maßnahmen wie Fixierungen, Sedierung und Umgebung. Informeller Zwang entsteht durch Beeinflussung, wie z. B. Manipulationen, unzureichende oder falsche Information, mangelnde Kommunikation und Drohung. Längerfristige, d. h. > 30 Minuten, freiheitsbeschränkende, -entziehende Maßnahmen sowie Zwangsbehandlung sind genehmigungspflichtig. Begründung für die Anwendung von Zwang Die Anwendung von Zwang auf der Intensivstation bedeutet einen Spagat zwischen Patientenautonomie und dem Schutz des Patienten (Fürsorge). Situation mit Risiko für Zwang erkennen Auf Intensivstationen sind Phasen mit Agitation, Delir, aber auch Demenz oder depressive Phasen, Hypoaktivität bei Patienten, alltäglich. Zwangsmaßnahmen in Notsituationen dürfen nur nach entsprechender Prüfung der juristischen und medizinethischen Kriterien eingesetzt werden und nur, wenn es keine Alternativen (Ultima Ratio) für deren Einsatz gibt. Die Anwendung von Zwang als Ultima Ratio umfasst die Überprüfung der Entscheidungsfähigkeit und die Einschätzung/Prüfung der kritischen Situation. Zwang als Ultima Ratio Freiheitseinschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen sowie Zwangsmaßnahmen dürfen nur in Ausnahmesituationen der Einwilligungsunfähigkeit und bei „drohendem erheblichen Gesundheitsschaden“ angewendet werden. Prophylaxe und Konzepte zur Vermeidung von Zwang auf der Intensivstation Eine Behandlung auf der Intensivstation basiert auf einer aktuellen Indikation mit medizinischer Evidenz sowie den sich daraus ableitenden Standards und Prozess-Strukturen. Zur Vermeidung von formellem und informellem Zwang ist es entscheidend, ein Menschenbild im interprofessionellen Team zu etablieren, welches den Respekt vor dem Patienten und seiner Autonomie wahrt und dies in den Alltag und die Ausbildungskonzepte umsetzt. Konzepte, um die Anwendung von Zwang zu erkennen, zu benennen und um Zwang zu vermeiden, umfassen: Erkennen von Risikosituationen für Zwang, Standards zur Vermeidung von Zwang auf der Intensivstation, Aus- und Weiterbildung in Kommunikation.

Publisher

Georg Thieme Verlag KG

Subject

General Medicine

Reference16 articles.

1. Patientenverfügungen bei Demenz: Der „natürliche Wille“ und seine ethische Einordnung;R J Jox;Dtsch Ärztebl,2014

2. What does coercion in intensive care mean for patients and their relatives? A thematic qualitative study;S Jöbges;BMC Med Ethics,2022

3. Clinical Relevance of Informal Coercion in Psychiatric Treatment-A Systematic Review;F Hotzy;Front Psychiatry,2016

4. Coercion

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