Abstract
Seitdem sich Beratung als professionelle Interventionsform etabliert hat, scheint das jeweils angewandte Erkenntnisund Methodenrepertoire im Prozess unerlässlich, birgt jedoch die Herausforderung, dass Berater:innen in einseitigen Perspektiven persistieren, was einer Offenheit gegenüber dem Erleben und Erfahren des zu beratenden Menschen entgegensteht. Der vorliegende Beitrag knüpft hier an und dokumentiert den Versuch, das aus der Unterrichtsforschung stammende Konzept der phänomenologischen Vignettenforschung auf ein Beratungssetting zwischen Berater:in und Klient:in zu übertragen. Dabei wird das intersubjektive Geschehen nicht nur theoretisch in der Phänomenologie, einer philosophischen Strömung, verortet. Schrittweise orientiert sich die Forscherin und Beraterin an jener phänomenologischen Methodologie und adaptiert ein für Beratungsprozesse spezifisches Explorationsdesign. Diesem nachgehend begibt sie sich – jenseits des erlernten Methodenrepertoires – in einigen Beratungssitzungen in die Haltung der Miterfahrenden Erfahrung und formuliert Vignetten über Erfahrungen mit einer Klientin. Um eine polyperspektivische Sichtweise auf diese Erfahrungen zu erhalten, vertiefen die Forscherin wie auch zwei weitere Rezipient:innen der Vignetten ihre jeweiligen Deutungen in Form von Vignettenlektüren. Resümierend wird reflektiert, welche Möglichkeiten, Herausforderungen und Grenzen die Vignettenforschung für die Perspektiverweiterung in der Beratung bereithält.
Publisher
Psychosozial-Verlag GmbH and Co. KG
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