John Maynard Keynes und der Friedensvertrag von Versailles – Eine Rekonstruktion aus Sicht der Verhaltensökonomik

Author:

Döring Thomas

Abstract

Das Ziel der nachfolgenden Ausführungen ist, die Logik der Argumentation von Keynes im Licht der modernen verhaltensökonomischen Forschung zum individuellen Entscheidungsverhalten unter Berücksichtigung psychologischer Befunde zu systematischen Verzerrungen in der Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen, der (In-)Stabilität von Präferenzen im Zeitablauf sowie der normativen (Fehl-)Orientierung in Verhandlungssituationen zu rekonstruieren. Es wird zu diesem Zweck an Studien aus dem Bereich der empirischen Verhaltensforschung ebenso wie der experimentellen Ökonomik angeknüpft, um das aus Sicht der betroffenen Akteure – spieltheoretisch formuliert – aus dem Versailler Vertrag resultierende Negativsummenspiel zu plausibilisieren. Vor diesem Hintergrund erfolgt zunächst eine Darstellung der zentralen Einsichten und Implikationen des verhaltensökonomischen Ansatzes (Kapitel 2), wobei neben den Ursachen einer begrenzten Rationalität individuellen Entscheidungsverhaltens, der „verzerrenden“ Wirkung kognitiver Heuristiken und Illusionen sowie der Zeitinkonsistenz individueller Präferenzen auch auf die Bedeutung von Fairnessnormen und -einschätzungen für die Effizienz von Verhandlungsergebnissen näher eingegangen wird. Auf der Grundlage dieser allgemeinen Ausführungen zum Ansatz und zu den Ergebnissen der Verhaltensökonomik wird anschließend die von Keynes vorgelegte Analyse des Zustandekommens und der möglichen Folgen des Versailler Vertrages eingehend untersucht, um die vielfältigen Übereinstimmungen zwischen beiden Betrachtungsperspektiven herauszuarbeiten (Kapitel 3). Der Hinweis auf das Vorliegen von Präferenzinkonsistenzen, das Auftretens von sogenannten Ankereffekten, der Wirksamkeit von Stereotypen oder der Situationsgebundenheit des Verhaltens –um nur einige der von Keynes benannten Effekte zu nennen – lassen ihn als einen vergleichsweise „modernen Ökonomen“ er-scheinen. Dies kann zusätzlich durch den Verweis auf institutionen- wie politökonomische Überlegungen untermauert werden, die sich in seiner Bewertung des Vertragswerks ebenso finden wie die Relevanz des „Prinzips der effektiven Nachfrage“ als Quelle zu erwartender ökonomischer Krisenerscheinungen, die Keynes bereits hier im Vorgriff auf die späteren Ausführungen im Rahmen seiner „Allgemeiner Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ zumindest implizit anklingen lässt (Kapitel 4).

Publisher

Sonderforschungsgruppe Institutionenanalyse

Reference89 articles.

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