Affiliation:
1. Institute of Psychosocial Research for Health Promotion and Intervention – IHPI, MSB Medical School Berlin, Deutschland
Abstract
Zusammenfassung: Conjoint-Analysen, klassische Methoden der Entscheidungsforschung und Werbepsychologie, können implizite Entscheidungsprozesse und Präferenzen sichtbar machen. Obwohl sie für das rechtspsychologische Forschungsfeld gut geeignet sind, werden sie dort bisher kaum eingesetzt. Neben einer allgemeinen Darstellung skizzieren wir anhand zweier Studien zur frühen Kindeswohlgefährdung die Anwendbarkeit und Relevanz von Conjoint-Analysen in der Rechtspsychologie. In einer ersten untersuchten wir anhand einer Stichprobe von 100 Hebammen, welchen Einfluss die Risikofaktoren Alter und psychische Erkrankung der Mutter sowie kindliche Verhaltensauffälligkeiten auf die subjektive Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung bei Säuglingen haben. Neben elternbezogenen Erkrankungsmustern wie Schizophrenie oder Borderline-Persönlichkeitsstörung traten auch kindliche Risikofaktoren (u. a. exzessives Schreien) hervor, was die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung und Bewertung bei Gefährdungsbeurteilungen unterstreicht. In einer zweiten Studie mit 33 Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe zeigten sich der Substanzmittelkonsum der Eltern, deren Stressbelastung sowie prozessorientierte Risikomechanismen (verzerrtes Erziehungsverhalten, Care-Control-Konflikt) als weitere Risikofaktoren für frühe Kindeswohlgefährdung. Die Erkenntnisse beider Studien decken relative Wichtigkeiten verschiedener Risikofaktoren auf und unterstreichen die Effektivität der Conjoint-Analysen, implizite Entscheidungsmuster aufzudecken und somit zielgerichtete Präventionsmaßnahmen abzuleiten. Wir diskutieren abschließend, wie Conjoint-Analysen komplexe rechtspsychologische (Entscheidungs–)Prozesse erhellen und auch in anderen Bereichen rechtspsychologischer Entscheidungsprozesse angewendet werden könnten.