Abstract
ZusammenfassungDas Respektieren der Menschenwürde ist zweifellos ein zentraler Bestandteil des klinischen Alltags und von medizinethischen Evaluationen. Manche Aspekte der Menschenwürde unterliegen im Laufe des Lebens einer gewissen Wandlung. Wenn die Fähigkeit zur freien Willensbildung eingeschränkt ist, kann es erschwert sein, den individuellen Vorstellungen einer würdevollen Behandlung gerecht zu werden, was speziell am Lebensende an Bedeutung gewinnt. Anhand einer Kasuistik soll demonstriert werden, welche moralischen Problemstellungen auftreten können, wenn aktuelle Willensbekundungen des Patienten gegensätzlich sind zu dem, was vorausverfügt wurde oder den Angehörigen vertraut ist. Bei der klinischen Entscheidungsfindung kann die Betonung der Willensfestlegung in einer Patientenverfügung so weit führen, dass Menschenwürde auf Autonomie reduziert wird. Ein auf Autonomie reduziertes Konzept der Menschenwürde geht aber am Kern sowohl einer würdezentrierten Medizin als auch der partizipativen Entscheidungsfindung vorbei. Komplementäre Aspekte der Menschenwürde, wie beispielsweise Authentizität und Selbstaktualisierung, müssen berücksichtigt werden. Außerdem sollte die Medizin als solche den Tod nicht marginalisieren, sondern eine Versorgung, die die Prinzipien der menschlichen Interaktion und einer umfänglichen Auffassung von Würde fokussiert, anbieten.
Funder
Universitätsklinikum Heidelberg
Publisher
Springer Science and Business Media LLC
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