Abstract
ZusammenfassungWozu sind wir verpflichtet – und was geht gegebenenfalls darüber hinaus? Das ist eine der Grundfragen der Supererogationsdebatte. Welchen Grenzen unterliegt unsere Pflichterfüllung? Welche Handlungen müssen wir als (moralisch) außergewöhnlich betrachten? Seit der Veröffentlichung von James O. Urmsons Aufsatz „Saints and Heroes“ im Jahr 1958 gibt es eine rege Debatte um Fragen der Definition, der Rechtfertigung und der möglichen Anwendung der Kategorie der Supererogation auf konkrete moralische Probleme. Eine der Kerneinsichten feministischer Philosophie aber, dass hinsichtlich der Frage, welche Handlungen wir als Pflicht oder als darüberhinausgehend betrachten, keine ‚Genderneutralität‘ herrscht, hat innerhalb der Supererogationsdebatte wenig Aufmerksamkeit erfahren: Es fehlt bislang eine systematische Untersuchung, welche Implikationen dieser Befund für die Kategorie der Supererogation hat. Insbesondere bei den Zuschreibungen von Heldenhaftigkeit und Heiligkeit, die Urmson zu den paradigmatischen Fällen von Supererogation zählt, ist der Einfluss von Genderrollen besonders auffällig und bedarf einer genaueren Analyse. Diese Beobachtung nimmt der Beitrag zum Ausgangspunkt, um zu zeigen, dass in der Supererogationsdebatte verwendete Beispiele oft mit (impliziten) Annahmen darüber verwoben sind, wer die Akteur:innen sind, die diese Handlungen vollführen – und dass diese Annahmen in hohem Maße an konventionelle und stereotype Geschlechterrollen gebunden sind. Darüber hinaus werden in dieser Debatte die Leistungen von Frauen* im Besonderen oft naturalisiert und marginalisiert. Schließlich ist die Kategorie der Supererogation bis heute häufig mit normierenden Vorstellungen darüber verbunden, was von jemandem erwartet werden kann und was nicht. Ich werde ausgehend von Urmsons einschlägigem Aufsatz eine feministische Analyse der verwendeten Beispiele vornehmen und deren Implikationen für die Kategorie der Supererogation herausarbeiten.
Publisher
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